Angst lehnt Familie G., die zur Behandlung ihrer Tochter Lisa aus Österreich zum Klinikum Essen gereist ist, einfach ab. Angst hilft nicht weiter. Angst macht schwach – ein Zustand, den man sich mit einem von Geburt an krebskranken Baby nicht leisten kann. Zum Glück wurden sie im Elternhaus für Eltern krebskranker Kinder gut aufgenommen.
Lisa tobt durch den Garten des Elternhauses an der Kaulbachstraße, fischt Erde aus einem Blumentopf und versucht, an einem Spielkameraden vorbei als Erste auf die Rutsche zu kommen. Niemand würde ihr anmerken, dass sie in ihrem gerade einmal 16-monatigen Leben bereits 40 Vollnarkosen, Chemo- und Strahlentherapie sowie eine Augenentfernung durchgestanden hat.
Im Alter von sechs Wochen wurde bei ihr ein Retinoblastom diagnostiziert. Diese Form von Krebs tritt am häufigsten bei kleinen Kindern auf und befällt die Augen, in dem sich einer oder mehrere Tumore bilden. Da einer dieser Tumore bei Lisa am Sehnerv saß, musste das Auge entfernt werden. „Ein Tumor am Sehnerv ist deswegen so gefährlich, da Metastasen über den Nerv bis hinauf ins Gehirn und von dort in den gesamten Körper streuen könnten“, erklärt der Vater.
Die reine Entfernung des Tumors wie bei anderen Formen des Krebses ist aufgrund der Lage am Sehnerv nicht möglich, so dass in einem solchen Fall das Auge durch ein Glasauge ersetzt wird. Lisas braunes Auge blickt so fröhlich in die Welt, dass man dazu tendiert, den typischen Mutter-Kind-Vergleich zu äußern: „Die Augen hat sie aber von der Mutter!“
Die ersten Untersuchungen erfolgten in Lisas Heimat. Die junge Familie aus der Nähe Salzburgs musste zu diesem Zweck jedes Mal etwa 300 km nach Graz fahren. „Graz war jedoch erst einmal näher als Essen“. Die letzte Therapieform der Bestrahlung konnte jedoch nur in Europas Zentrum für Behandlung des Retinoblastoms vorgenommen werden, und so machte sich die Familie im Mai 2006 auf zum Klinikum. „Da standen wir dann einfach mit unseren Koffern und Tränen in den Augen auf der Station und wussten erst mal nicht wohin“, erinnert sich der Vater. Das gerade für solche Zwecke gegründete Elternhaus nahm die Familie sofort so herzlich auf, dass sich alle drei trotz der schwierigen Situation auf Anhieb wohl fühlten. Die Mutter freut sich besonders über den Kontakt zu den anderen Kindern im Haus und der Vater berichtet, dass Lisa dort gelernt habe, so richtig aus vollem Herzen zu lachen – eine Fähigkeit, die sie nun häufig anwendet. „Mit den anderen Eltern war es zum Teil Freundschaft auf den ersten Blick, mit manchen vielleicht nicht immer leicht, aber in der Regel versteht man sich einfach wunderbar“, resümiert das junge Elternpaar.
Der Austausch mit ebenfalls betroffenen Eltern gibt Kraft und Ausdauer. Eigenschaften, die für Lisas Eltern lebenswichtig sind. „Wir dürfen einfach keine Angst haben, da Lisa es sonst merkt und sich das Gefühl auch überträgt“, erklärt Lisa's Mutter. Und Angst kennt Lisa nicht – sie rennt und tobt im Garten des Elternhauses herum, spielt Verstecken und steht einfach wieder auf, wenn sie mal hinfällt.
„Es kommt auf die Einstellung der Eltern an: Wenn wir tapfer und positiv sind, dann wird sie es auch.“ Dieses Leitmotto hat sich bewahrheitet. Ebenso positiv und lebensfroh blicken die G.'s nun in die Zukunft: der Halbzeitwert hat gezeigt, dass sich der Tumor zurückgebildet hat, Lisas sehendes Auge wird in der Sehschule trainiert, um damit das Optimum zu erreichen, und die Eltern sind überzeugt, dass es „nach einem Jahr der Krise und Rückschläge nun bergauf geht“.