Unsere Tochter Leonie ist an Krebs erkrankt, sie hat ein Neuroblastom. Bei dieser Tumorart werden den Kindern eigene Stammzellen transplantiert. Da wir in der Nähe von Dortmund wohnen, wurden erstmal alle Therapien in Dortmund gemacht, bis man uns mitteilte, dass wir zur Stammzellenentnahme zum Universitätsklinikum nach Essen müssen. Leonie und ich sollten im Elternhaus schlafen, mein Mann musste arbeiten. Als wir drei ankamen, wurden wir von allen Mitarbeitern, die da waren, sehr herzlich und liebevoll empfangen. Wir fühlten uns sofort sehr wohl. Zur Stammzellenentnahme haben wir für anderthalb Wochen im Elternhaus gewohnt.
Leonie mit ihren gerade mal zweieinhalb Jahren hat sich so wohl gefühlt, dass sie sich an vieles erinnern konnte, als wir zwei Monate später zur eigentlichen Transplantation wieder gekommen sind. Schon beim ersten Mal ist mir aufgefallen, dass es auch Krebserkrankungen gibt, die optisch viel mehr auffallen, gerade wenn die Augen der Kinder betroffen sind. Dieses Mal hatten wir mehr Kontakt zu den anderen Eltern, und die Informationen über verschiedene Krebserkrankungen wurden konkreter. Wir waren auch erstaunt darüber, aus welchen Ländern die Familien kamen. Wir haben uns mit Menschen aus Bulgarien, Russland, Niederlande und Österreich angefreundet. Auch wenn manche Gäste nur ihre Muttersprache sprechen, haben wir immer einen Weg gefunden, uns zu verständigen. Hier im Elternhaus ist es völlig egal, ob man dick, dünn, reich, arm, Christ oder Moslem ist. Hier zählt nur, dass wir alle eines gemeinsam haben, nämlich ein krebskrankes Kind. Zeitweise kam ich mir vor wie in einem Bienenstock, ständig neue Gesichter und Schicksale. Was mir aber immer besonders gut gefallen hat ist, dass man sich jederzeit zurückziehen kann, wenn man alleine sein möchte, aber auch mit den anderen etwas gemeinsam machen kann, wie kochen, spielen oder essen. Angeboten werden montags ein gemeinsames Abendessen und donnerstags ein gemeinsames Frühstück. Diese Gelegenheit habe ich immer zum regen Austausch von Neuigkeiten über die Kinder und deren Gesundheitszustand genutzt.
Die Mitarbeiter des Elternhauses haben immer ein offenes Ohr für die Probleme, Gefühle und Ängste eines Jeden. Mit viel Verständnis versuchen sie, einem die doch so schwere Zeit zu erleichtern. Das Gefühl der Geborgenheit kommt hier sehr deutlich zum Ausdruck, ebenso ernst gemeinte Anteilnahme und Herzlichkeit. Niemand wird allein gelassen, außer er möchte es. Das Bild des Baumes auf der Fassade des Elternhauses finde ich sehr treffend, denn wie bei einem Baum sind wir, die betroffenen Eltern ebenso wie unsere krebskranken Kinder, die Blätter – jeder einzelne und sein Schicksal ist wichtig – und der Verein ist der Stamm, der uns allen Halt gibt. Teilweise war ich von den Schicksalen der anderen Familien sehr geschockt, aber ich bewundere jeden einzelnen und vor allen Dingen unsere Kinder, wie tapfer sie mit der Diagnose und der Erkrankung umgehen.
Das Elternhaus ist für mich zu einem Ort geworden, um sich „fast“ wie zu Hause zu fühlen. Aktivitäten außerhalb des Hauses wie z.B. ein Besuch im Zirkus oder im Zoo, zu dem auch „Ehemalige“ eingeladen werden, sorgen auch für ein bisschen Abwechslung und machen Spaß.